Lieber Pilz, nun höre ich mir schon seit fast zwanzig Jahren geduldig an, so mancher Freund erzählt es mir, wie Du mich in den Dreck ziehst in einer Sache, die Dich gar nicht betrifft, sondern Deinen Bruder Dieter.
Du erzählst herum, Dein Bruder hätte mir sehr viel Geld geliehen, welches ich dann mit miesen Tricks zur Seite geschafft hätte, so dass bei mir nichts zu holen ist, und es sich für Deinen Bruder daher erübrigt, klagemäßig gegen mich vorzugehen, usw., usw.
Nur am Rande: Mit Deinem Gerede unterstellst Du meiner Exfrau Almut, dass sie sich an einem kriminellen Manöver beteiligt hat. Mal sehen, was von dieser Seite auf Dich zukommen wird.
Wie kommst Du eigentlich dazu, so einen Unsinn zu erzählen?
Aber den Punkt des „Warum“ wollen wir hintan stellen und gegen Ende ausführlich beleuchten.
Gehen wir erst mal der Reihe nach vor, und sei es nur darum, Dein Gedächtnis wieder zu reaktivieren, falls dies überhaupt nötig ist. Denn ich meine, Du weißt ganz genau, wie es wirklich war, und warum es sich deshalb für Dich auch erübrigt, mein schriftliches Angebot zu einem Gespräch, welches Dir schon seit Deinem 50. Geburtstag vorliegt, zu ignorieren.
Denn ein solches Gespräch würde unweigerlich dazu führen, dass Du Dein Schauermärchen nicht mehr verbreiten kannst, und Du Dir danach etwas neues einfallen lassen müsstest, wie Du naive Geister dazu bringen kannst, an Deinen Lippen zu hängen.
Aber die übrige geneigte Leserschaft ist bestimmt daran interessiert, auch meine Ansicht zu erfahren.
Also, los geht’s:
Im Frühjahr 1992 saßen wir an einem Freitagabend bei der Spinne an der Theke, wie so oft in jenen Jahren. Wir, das waren in diesem Fall Du und Deine Frau Hanne, sowie Dein damaliger Adlatus Rainer P. und ich, einige andere kamen später.
Ich erzählte in der Runde, dass ich an einer Grundstücksgesellschaft, welche ein wertvolles Baugrundstück in Frankfurt am Main besitzt, beteiligt bin, und aus Gründen der Eigenkapitalbeschaffung gezwungen bin, einen Teil meines Anteiles zu verkaufen. „Es muss ein Käufer mir barem Geld sein, beleihen über eine Bank geht nicht“, führte ich weiter aus.
Meine Idee war, dass eventuell Dein Bruder Dieter mir einen Termin bei einem Herrn „XY“ machen kann, seinerzeit Chef einer großen Leasingfirma in oder bei Mannheim, welcher dafür angesehen wurde, in spekulative Geschäfte einzusteigen, wenn sie sich lohnen. Diese Idee fand sowohl bei Dir, als auch bei Deiner Frau und sogar bei Rainer große Zustimmung, zumal bekannt war, dass Dieter diesen Mann sehr gut kannte.
Leider kam Dieter an diesem Freitagabend nicht wie gewohnt zur Spinne, daher rief ich ihn gleich am Montag in seinem Büro in Mannheim an und erklärte kurz, um was es geht. Schon fünfzehn Minuten später kam Dieters Rückruf, der Termin sei um 14:00 Uhr. Ich solle am besten gleich zu ihm kommen, was ich dann auch machte.
In Mannheim angekommen, sprachen wir über dies und das, bis Dieter sich meine Unterlagen über das Baugrundstück, bzw. die Grundstücksgesellschaft, anschaute. Er fragte mich, wie viel Geld ich denn brauche, griff zum Telefon, und sagte den Termin bei Herrn „XY“ ohne jeden weiteren Kommentar ab, und sprach zu mir die großen Worte „für so eine Lappalie brauchen wir Herrn „XY“ doch nicht“.
Nun war ich doch bass erstaunt! Wie? Was ist los?
Der Herr Dieter Clemens ist doch völlig Pleite und hat die Finger gehoben, oder etwa nicht?
Seine Frau Erika mit den kleinen Kindern aus dem Eigenheim geflogen, Spinnes Mehrfamilienhäuser alle weg! Du hast über neunhundertfünfzigtausend DM verloren, die Du alleine zurückzahlen musstest. All dies hast Du mir doch in den Monaten zuvor selbst erzählt! Erinnerst Du Dich? Bestimmt.
Wie also sollte Dein Bruder Dieter mir, dem kleinen Schlumpf, einfach so Geld leihen, und dann gleich womöglich hunderttausende DM? Inzwischen, wie man hört, erzählt er ja herum, es seien fünfundzwanzig Millionen. Ich vermute, wenn er selbst eigenes Geld gehabt hätte, würde er doch bestimmt seinen Kindern und Brüdern geholfen haben…
Mir ging in diesem Moment nur durch den Kopf: Na, wie dass wohl weitergehen wird.
Ziemlich einfach. Ein paar Tage später erhielt ich vom Büro DC in Mannheim einen ersten Scheck (Verwendungszweck: Projektbeteiligung FFM, 1. Rate), weitere folgten. Zum Schluss auch eine Rate als Bargeld.
Kannst Du Dich erinnern, dass wir uns in diesen Monaten sehr oft sahen, und auch über das Projekt und Dieters Beteiligung daran gesprochen haben? Ich bin mir sicher. Wenn nicht, frage doch Deinen damaligen Adlatus Rainer. Der wird Dich doch nicht belügen, oder?
Da, wie oben beschrieben, Dieter sicherlich kein eigenes Geld hatte, hat er sich wohl mit Geld, was ihm offensichtlich gar nicht gehört hat, an dem Projekt bzw. der Gesellschaft beteiligt.
Allerdings ist er seinen Verpflichtungen nicht vollständig nachgekommen.
Er hat zwar größere Anzahlungen gemacht, aber die Schlusszahlung nicht leisten können. Anscheinend hat der Geldbesitzer seine restlichen Kröten (sollen ehemals Millionen DM gewesen sein), mit denen Dieter „gearbeitet“ hat, schnell ich Sicherheit gebracht. Aber so ganz genau kann ich das natürlich nicht darlegen.
Wie auch immer. Als im Spätherbst die Restzahlung fällig wurde, hatte Dieter kein Geld. Das war sehr gefährlich, denn ohne die Abschlusszahlung würden wir aus der Gesellschaft fliegen, und sein und mein Geld wären weg.
Er hat in den nächsten Monaten verzweifelt versucht, den Restbetrag aufzutreiben. Fast täglich waren wir im Gespräch. Auch Dich hat er angesprochen, er hat es mir erzählt. Du bist also voll informiert über die wahren Begebenheiten. Dennoch erzählst Du Mist herum. Aber wie oben schon gesagt, wollen wir uns dem „Warum“ am Ende widmen.
Es kam, wie es kommen musste. Irgendwann flogen wir aus der Gesellschaft. Dieter wurde von mir umfassend darüber informiert.
Daraufhin herrschte zwei Jahre völlige Funkstille seinerseits. Kein Anruf darüber, wie oder was wir nun machen können oder sollen. Keine Entschuldigung von ihm, nichts. Nur unsere Ehefrauen telefonierten anfangs noch ein paar Male.
Jetzt kommt das eigentlich Ekelhafte!
Dann, ungefähr zwei Jahre später, ohne jeden vorherigen Kontakt, kommt ein Brief eines Rechtsanwaltsbüros. Ein Herr Dieter Clemens hätte mir Geld geliehen, welches ich nun zurückzahlen soll. Selbstverständlich mit großzügigen Zinsen und Zinseszinsen.
Das ekelhafte daran ist, dass Dieter hinter meinem Rücken im Grundbuch meiner Frau herumgeschnüffelt hat (oder lassen hat), um meine Vermögensverhältnisse auszuspionieren. Dazu kommt, dass er, anscheinend um sich schadlos zu halten, meine Familie (Frau und Kind) mit in den Dreck ziehen wollte, so wie er sich nicht gescheut hat, es mit seiner Familie zu machen.
Nur der Vollständigkeit halber muss hier erwähnt werden, dass die Schnüffler noch nicht einmal richtig gelesen haben.
Nach Auskunft meines damaligen Rechtsberaters war es allerdings so, dass Dieter seinen Verpflichtungen noch nicht vollständig nachgekommen war. Er hatte also immer noch die Abschlusszahlung zu leisten, und natürlich auch Schadensersatz für den durch ihn ausgelösten Rauswurf aus der Gesellschaft.
Schließlich war ja durch seine Zahlungsunfähigkeit auch meine Einlage, sprich mein Geld, für immer verloren.
Hinweis am Rande: Das Projekt wurde im Übrigen sehr erfolgreich abgeschlossen. Über hundert Appartements in bester Lage direkt an der Messe wurden gebaut. Wir schauten in die Röhre.
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Aber nun wollen wir uns doch noch der Frage zuwenden, warum Du diese gar schröckliche Geschichte überhaupt erzählst. Du scheinst, wie mir berichtet wurde, gar kein anderes Thema mehr zu haben, und Dich regelrecht in den Rausch zu reden.
Also warum?
Willst Du Deinem Bruder Dieter helfen? Wie? Willst Du die Familienehre retten? (?) Das Du mir helfen willst, fällt ja wohl auch aus.
Also, mein lieber Pilz, bleibst nur noch Du selbst übrig.
Erzählst Du die Geschichte für Dich?
Findest Du es sooo geil, wenn Deine Zuhörer mit glänzenden Augen an Deinem Munde hängen?
Früher, da hast Du jedem, ob es hören oder nicht, erzählt, was für ein toller Hecht Du bist, und wie viele Millionen Du seit dem letzten Zusammentreffen wieder gemacht hast. Diese Geschichten waren anfangs interessant, dann nur noch lästig, und Du selbst wirktest langsam ziemlich lächerlich.
Da macht sich eine solche Story als Ersatz doch ganz gut. Ich glaube, dass ist es.
Aber genau wie alle Eingeweihten wissen, dass Du kein Ritter bist, und dass das komische rot aussehende Käppchen, mit dem Du herumläufst, kein altes verwaschenes rotes Barett ist, so wissen auch alle, welche Dich und mich kennen, wer hier die Wahrheit zum Besten gibt.
Du kannst auch noch so oft abstreiten, dass es ein rotes Barett sein soll. Wer Dich kennt, weiß, dass Du es trägst, damit so manch einer glauben soll, es sei eines.
Such Dir einen neuen Hut und eine andere Geschichte, wenn Du Leute begeistern willst. Was hältst Du davon, von all den Leuten zu reden, die von Dir Kredite vermittelt bekommen haben, und denen es seit dem geschäftlich hervorragend geht? Das wäre doch mal was!
Die Geschichten über mich kannst Du noch hundert oder tausend Mal wiederholen, sie werden dadurch nicht wahr.
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Zum Abschluss noch eine persönliche Frage.
Warum bist Du eigentlich beim diesjährigen Mittsommernachtsfest bei der Thea nicht aufgestanden um mich mit Handschlag zu begrüßen? Das hast Du doch die beiden Jahre zuvor auch getan.
Allerdings waren da nicht so viele Deiner Leute dabei. Es hätte ja auch wirklich komisch ausgesehen, wenn Du, nachdem Du Dich an mir besoffen geredet hast, mich dann vor allen Leuten freundlich begrüßt hättest. Da habe ich schon Verständnis.
Mit vielen Grüßen, Dein alter Saufkumpan (denn mehr waren wir anscheinend nie)
Schlumpf
Im August 2012
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